Philipp Dittberner hält einen Moment lang inne, seine wachen Augen – voller Lebenslust, bei gleichzeitig ernstem Blick – schießen durch seine Gedankenwelt. Warum seine Songs so sind, wie sie sind – ehrlich, gefühlvoll, voller Intensität: »Es gibt Popmusik, die funktioniert über ein Gesicht, über einen Namen, der eine Marke ist.
Bei meiner Musik spielt das glaube ich keine so große Rolle, und genauso will ich das: dass die Leute über die Musik Identifikation finden und Nähe spüren, nicht über mich. Ich trete zurück, damit die Musik im Vordergrund stehen kann. Darum gehts mir, das ist mir immer schon sehr wichtig. Das konstruiere ich aber nicht, das passiert einfach so – weil es meine Musik eben so will.« Jetzt hat Philipp Dittberner ein neues Album aufgenommen, es heißt “Jede Nacht” und erscheint am 18. August.
Die Musik von Philipp Dittberner lässt einen schon beim ersten Hören nicht mehr los. Kein Ohrwurm, dessen Kitzeln irgendwann stört. Sie scheint eher zu sagen: „Ich bin bei dir, verlass dich auf mich!“
Warum ist das so? Wie macht sie das? Wie macht der das?
Philipp Dittberners Songs, das zeigt sich auf seinem zweiten Album “Jede Nacht” ganz deutlich, funktionieren in unmittelbarer Direktheit, sie machen keine Umschweife, umkreisen nicht zaghaft. Trotzdem sind sie feinsinnig und zart.
Die Musik des 1990 geborenen Berliners holt einen dort ab, wo man gerade steht, mit allem Ballast, aller Sehnsucht, aller Euphorie, aller Melancholie. In kleinen Beobachtungen, flüchtigen Gedanken und kaum greifbaren Momenten findet der Songwriter Geschichten, die auf einmal ganz groß klingen. Seine Musik nimmt einen ernst, auch in gemischten Gefühlen, dabei ist sie warm und behaglich, hüllt ein, wie eine warme Jacke, wenn es draußen kalt ist – sie ist da, verständlich, verständnisvoll, sie bedarf keiner Vorbereitung.
Was wir auf “Jede Nacht” hören, ist jedoch keine Wintermusik, man kann mit ihr auch im Sommer am Kanal sitzen, am Strand, im Auto, in der Küche, bei geöffneten Fenstern, sie funktioniert allein, mit Kopfhörern oder mit 15.000 Konzertbesuchern, die im Chor mitsingen, eben irgendwie überall. Sie stellt einen Spagat dar, zwischen Intimität und großer Geste. Die Produktion ist dicht, mutig, die Stücke selbstsicher, auch wenn ihre Lyrics oft von Unsicherheiten sprechen. Vielleicht liegt darin das Geheimnis von “Jede Nacht”: In den Texten verliert man sich – durch die Musik jedoch geht man dabei nicht verloren.
Ein Paradebeispiel dafür ist die erste Single “Jede Nacht”: Ein Rückblick auf eine Zeit der Suche, des Ankommens, des Aufbrechens, findet Sehnsucht und Hoffnung zu gleichen Teilen.
Oder Bunte Vögel, ein Stück, das für Philipp den Übergang vom Erfolgsalbum “2:33” zur neuen Platte markiert: Hier entlässt der Sänger die schönen bunten Vögel aus ihrem Käfig, die er auf seinem Debüt beschrieben hat, beobachtet, wie sie ihre Freiheit genießen.
In Ein Jahr tarnen und Ein Teil finden wir dieses Gefühl von Einsamkeit in der Zweisamkeit, das jeder Mensch kennt – und von der Sehnsucht, die daraus resultiert. Doch es geht auch um die Zukunft, spätestens im C-Teil. Philipps Texte, oft im Rückblick entworfen, ermöglichen im Zusammenspiel mit der Musik, aus dem Erinnern nach vorne zu sehen, weiter zu gehen. So entstehen gefühlvolle, nachdenkliche Songs, die aber nie ohne Hoffnung sind.
In den letzten Jahren, in denen auch viele der neuen Stücke entstanden sind, ist viel passiert, das Philipp Dittberner hat lernen lassen, ihn berauscht und manches Mal auch erschöpft hat: “2:33” war ein Riesenerfolg, der, angestoßen von Philipps Hit “Wolke 4”, fast aus dem Nichts kam: 50.000 verkaufte Alben, Platz 12 in den Charts, ausverkaufte Tourneen, 2015 und ’16 Nominierungen bei der 1Live Krone und beim Echo. Kein Lied wurde 2015 in Deutschland häufiger runtergeladen als “Wolke 4”, die Single ging mit 600.000 verkauften Einheiten binnen kürzester Zeit dreifach Gold, kurz darauf folgte die zweite Single “Das ist dein Leben” diesem Erfolgskurs und erreichte auch Gold Status. Bei all diesen Veränderungen jedoch ist Philipp derselbe geblieben.
Vor über zwei Jahren, kurz vor der Veröffentlichung seines Debüts, hatte er den Wunsch geäußert, dass er – egal was passiert – weiterhin einfach Songs auf seiner Gitarre schreiben und Zeit mit seinen Freunden verbringen möchte. Der Wunsch hat sich erfüllt, Philipp ist bei all dem Erfolg mit beiden Füßen auf dem Boden geblieben. Darum hat seine Musik auch so viel Kraft: Weil er sie über sich stellt, weil es ihm um seine Songs geht, nicht um ihn. Weil er seine Gabe, den Menschen mit seinen Songs etwas zu geben, ernst nimmt. Das funktioniert. Jeden Tag. Und jede Nacht.